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Neue Sequenztherapie bringt Fortschritte in der systemischen Therapie beim Leberzellkarzinom

categories Forschung, Krebs, Leber, Tumore   2. Oktober 2017    

Multi-Kinase-Inhibitor Sorafenib (Nexavar®) ist einziges zugelassenes Medikament in der Erstlinientherapie des Leberzellkarzinoms (HCC) und Standard im fortgeschrittenen Stadium / Multi-Kinase-Inhibitor Regorafenib (Stivarga®) ermöglicht erstmals HCC-Zweitlinientherapie für Patienten, die mit Sorafenib vorbehandelt wurden, und schließt eine Tgeschrittenen Stadium / Aktuelle Analysen zeigen Korrelation zwischen typischen Nebenwirkungen und einem besseren Gesamtüberleben (OS) unter Sorafenib und Regorafenib

In der Erstlinientherapie des Leberzellkarzinoms (hepatozelluläres Karzinom, HCC) profitieren Patienten seit rund zehn Jahren von dem Multi-Kinase-Inhibitor Sorafenib (Nexavar®), der einzigen zugelassenen systemischen Therapie in dieser Indikation. Für Patienten, die unter Sorafenib progredient werden, ermöglicht der Multi-Kinase-Inhibitor Regorafenib (Stivarga®) jetzt erstmals eine Behandlungsoption in der Zweitlinie und eröffnet damit die neue HCC-Sequenztherapie Sorafenib-Regorafenib.(1) Sorafenib kann zudem auch bei TACE-refraktären Patienten im intermediären Stadium eingesetzt werden.(2,3) Typische Nebenwirkungen korrelieren mit einem besseren medianen Gesamtüberleben (OS) bei Patienten, die Sorafenib und Regorafenib erhalten.(4,5) Auf einer Pressekonferenz am Rande der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO)(a) gaben Experten einen Überblick über die systemische Behandlung des inoperablen HCC und diskutierten aktuelle
Studiendaten.

Sorafenib als Standardtherapie beim fortgeschrittenen HCC

Wie Privatdozent Dr. Marcus-Alexander Wörns, Mainz, erklärte, gehört Sorafenib zur Standardtherapie beim fortgeschrittenen HCC. Basis für die Leitlinienempfehlungen(6,7) bildete die Phase-III-Studie SHARP, in der 602 Patienten randomisiert wurden.(3) In der Sorafenib-Gruppe verlängerte sich das mediane OS im Vergleich zu Placebo signifikant von 7,9 auf 10,7 Monate. ASIA-PACIFIC mit 266 randomisierten Patienten bestätigte das Ergebnis von SHARP mit einer signifikanten Verlängerung des medianen OS von 4,2 auf 6,5 Monate.(8) Die relative Reduktion des Mortalitätsrisikos war in SHARP und ASIA-PACIFIC nahezu identisch (HR=0,69; p=0,00058 und HR=0,68; p=0,014).(3,8)

Im Rahmen der nicht-interventionellen Studien (NIS) GIDEON (n=3.202) und INSIGHT (n=782) konnte der Einsatz von Sorafenib in einer breiten Patientenpopulation beobachtet und der OS-Vorteil der klinischen Studien auch in der alltäglichen Praxis bestätigt werden.(9,10) So profitierten die Sorafenib-Patienten im Stadium BCLC-C von einem medianen OS zwischen 11,2 (GIDEON, Child-Pugh-Stadium A) und 13,6 Monaten (INSIGHT). Wie Wörns betonte, beeinflusst die Leberfunktion im BCLC-C das Gesamtüberleben: Patienten mit guter Leberfunktion (Child-Pugh Stadium A) lebten erwartungsgemäß im Median deutlich länger als Patienten im Child-Pugh Stadium B. Demzufolge betrug in der INSIGHT-Studie das mediane OS 17,6 bei Patienten mit Sorafenib vs. 8,1 Monate bei Patienten mit Placebo.(10)

Regorafenib schließt Lücke in der Zweitlinientherapie

Bisher gab es trotz zahlreicher Studien keine Behandlungsmöglichkeit in der Zweitlinie beim HCC für Patienten, die unter Sorafenib progredient wurden, erläutert Wörns. Diese Therapielücke wird nun von dem oralen Multi-Kinase-Inhibitor Regorafenib (Stivarga®) geschlossen. Basis für die EU-Zulassung waren die Ergebnisse der internationalen, multizentrischen, placebokontrollierten Phase-III-Studie RESORCE (REgorafenib after SORafenib in patients with hepatoCEllular carcinoma).(1)

In der RESORCE-Studie wurde Regorafenib an 573 randomisierten Patienten mit inoperablem HCC untersucht, die unter Sorafenib progredient geworden waren. Alle in die Studie eingeschlossenen Patienten erhielten neben Regorafenib bzw. Placebo die bestmögliche unterstützende Behandlung (best supportive care, BSC). In der Verum-Gruppe verbesserte sich das mediane OS signifikant im Vergleich zum Kontroll-Arm von 7,8 auf 10,6 Monate, was eine relative Reduktion des Mortalitätsrisikos von 37% über den Studienzeitraum bedeutet (HR=0,63; 95%; CI: 0,50-0,79; p<0,0001).(1) Die Nebenwirkungen entsprachen dem bekannten Sicherheitsprofil von Regorafenib. Als häufigste behandlungsbedürftige Nebenwirkungen traten Hand-Fuß-Hautreaktionen, Diarrhoe, Fatigue sowie Bluthochdruck auf.(1) Besonders positiv bewertete Wörns die Ergebnisse einer gepoolten Analyse, die zeigte, dass Patienten mit der Sequenztherapie Sorafenib-Regorafenib ein medianes OS von 26 Monaten erreichen konnten und damit deutlich länger lebten als Patienten
unter der Sequenz Sorafenib-Placebo mit einem medianen OS von 19,2 Monaten.(b)(11)

Aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen wurde der Vertrieb von Regorafenib vor mehr als einem Jahr in Deutschland eingestellt. Das Präparat ist jedoch weiterhin in Europa und damit auch in Deutschland zugelassen und kann somit in den zugelassenen Indikationen bei entsprechender Indikationsstellung verordnet werden. In diesem Fall muss das Arzneimittel nach §73 (1) Arzneimittelgesetz (AMG) als Einzelimport aus dem Ausland bezogen werden. Spezialisierte Apotheken organisieren den Bezug schnell und professionell. “Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Versorgung der Patienten gut funktioniert”, betonte Wörns.

Sorafenib auch effektiv im intermediären Stadium

Die deutschen S3-Leitlinien und die Leitlinien der European Association for the Study of the Liver (EASL) empfehlen Sorafenib mit der höchsten Evidenz (1A) bei HCC-Patienten mit erhaltener Leberfunktion (Child-Pugh-Stadium A) im fortgeschrittenen Stadium (Barcelona Clinic Liver Cancer Stadium C, BCLC-C) oder einer intermediären Tumormanifestation (BCLC-B), die lokoregionär nicht kontrolliert werden kann. Im intermediären Stadium BCLC-B (multinodulärer Tumor ohne makrovaskuläre Invasion und Lymphknotenbefall) ist laut S3-Leitlinie die lokal-ablative Therapie TACE (transarterielle Chemoembolisation) angezeigt, sofern Patienten dafür geeignet und nicht refraktär sind.(6)

Eine Subgruppenanalyse der SHARP-Studie zeigte, dass Sorafenib auch im intermediären Stadium wirkt.(3) Patienten mit gutem Allgemeinzustand, einem frühen Krankheitsstadium, ohne makrovaskuläre Invasion oder extrahepatische Ausbreitung und Patienten, deren Erkrankung auf eine HCV-Infektion zurückzuführen ist, profitieren besonders deutlich von Sorafenib. In einer japanischen Studie zu retrospektiven Real-Life Daten war das mediane OS von Patienten, die auf TACE nicht mehr ansprachen und auf Sorafenib umstiegen, signifikant länger als das der Gruppe, die weiter die lokal-ablative Therapie erhielt (24,7 vs. 13,6 Monate; p=0,002).(2) Für Vogel sprechen diese positiven Daten dafür, dass HCC-Patienten im intermediären Stadium, die unter TACE refraktär werden, am besten sofort zu Sorafenib wechseln sollten – auch aus dem Grund, dass ein rechtzeitiger Einsatz des Multi-Kinase-Inhibitors bei guter Leberfunktion mit einem längeren Gesamtüberleben korreliert.(3,10,12) Entsprechend empfehlen die S3-Leitlinien, eine
TACE-Behandlung zu beenden und andere Therapiemöglichkeiten zu prüfen, wenn die Patienten nicht auf die TACE ansprechen.(6)

Auftreten von Nebenwirkungen korreliert mit längerem Gesamtüberleben

Trotz umfangreicher Serummarkeruntersuchungen wurden bisher keine Hinweise auf prädiktive Biomarker beim HCC gefunden. Professor Dr. Bitzer, Tübingen, bezeichnet es vor diesem Hintergrund als umso bemerkenswerter, dass Patienten mit Nebenwirkungen unter Sorafenib oder Regorafenib am meisten von der Therapie zu profitieren scheinen. In einer prospektiven Studie(13) waren vor allem dermatologische Nebenwirkungen zwischen Tag 1 und Tag 60 mit einem besseren medianen Gesamtüberleben assoziiert als bei Patienten ohne Nebenwirkungen (OS: 10,1 vs. 18,2 Monate; p=0,009). Eine Subgruppenanalyse der RESORCE-Studie(5) bestätigt den prädiktiven Wert des Auftretens von Hand-Fuß-Hautreaktionen (HFHR) auch für Regorafenib (OS mit HFSR: 14,1 vs.OS ohne HFSR: 6,6 Monate). Eine aktuelle Metaanalyse von 16 Studien (davon 12 retrospektiv und 4 prospektiv) an insgesamt 1.468 Patienten legt außerdem nahe, dass das Auftreten der häufigsten Sorafenib-spezifischen Nebenwirkungen (Diarrhoe, Hypertonie und HFSR und Exantheme) mit
einem längeren medianen Gesamtüberleben assoziiert ist.(14)

Das frühzeitige Erkennen und das konsequente Management von Nebenwirkungen ermöglichen es dem Patienten, in vollem Umfang von der systemischen Therapie zu profitieren. Als wichtig in diesem Zusammenhang erachtet Bitzer prophylaktische und therapeutische Gegenmaßnahmen, die den Umgang mit den Nebenwirkungen erleichtern und sich positiv auf die Motivation der Patienten, die Therapie fortzusetzen, auswirken.

(a)  Pressekonferenz: “Fortschritte in der Behandlung des Leberzellkarzinoms – von der Sequenztherapie bis zur personalisierten Medizin”, 29. September 2017, Stuttgart.
(b)  Das mediane Gesamtüberleben ab Beginn der Erstlinientherapie mit Sorafenib bis zum Tod innerhalb der Beobachtungszeit der RESORCE-Studie wurde kalkuliert aus der Behandlungsdauer der Erstlinientherapie mit Sorafenib, der Dauer der Screeningphase für die RESORCE-Studie (bis zu 10 Wochen) sowie dem medianen Gesamtüberleben innerhalb der RESORCE-Studie.

(1)  Bruix J et al. Lancet 2017; 389:56-66
(2)  Arizumi T et al. Liver Cancer 2015 Dec; 4(4):253-262
(3)  Bruix J et al. J Hepatol 2012 Oct; 57(4):821-9
(4)  Reig M et al. J Hepatol 2014; 61:318-324
(5)  Bruix J et al. ESMO 19th World Congress on Gastrointestinal Cancer, June 28 – July 1, 2017, Barcelona, Spain
(6)  http://leitlinienprogramm-onkologie.de/uploads/tx_sbdownloader/S3-HCC-OL-Langversion-V1.0.pdf (abgerufen 21.08.2017)
(7)  http://www.easl.eu/research/our-contributions/clinical-practice-guidelines/detail/management-of-hepatocellular-carcinoma-easl-eortc-clinical-practice-guidelines/report/12 (abgerufen 21.08.2017)
(8)  Cheng AL et al. Lancet Oncol. 2009; 10:25-34
(9)  Marrero J et al. J Hepatol 2016 Dec; 65(6):1140-1147
(10)  Ganten TM et al. Clin Cancer Res 2017; DOI:10.1158/1078-0432.CCR-16-0919
(11)  Kudo M. Liver Cancer 2017; 6:177-184
(12)  Forner A et al. Nat Rev Clin Oncol. 2014; 11:525-535
(13)  Reig M et al. J Hepatol 2014; 61:318-324
(14)  Abdel-Rahman O et al. Expert Rev Gastroenterol Hepatol 2017; 11(1):75-83

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