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Schmerz hält sich nicht an Fachgebiete

categories Allgemein, Frauen, Männer, Schmerzen   13. Januar 2016    
Die Schmerzversorgung in Deutschland ist aus Patientensicht unzureichend. Wir brauchen mehr Ärzte, die alle Bereiche, die einen Schmerzpatienten durch seine Erkrankung berühren, abdecken“, betont Birgitta Gibson von der DSL. Das Fehlen von spezialisierten Schmerzmedizinern sei eine Ursache dafür, dass viele Menschen mit chronischen Schmerzen unzureichend oder gar nicht behandelt werden, sagt auch Arno Zurstraßen, Fachanwalt für Medizinrecht. „Die schmerzmedizinische Qualifikation ist für Patienten nur schwer erkennbar und es ist vom Zufall abhängig, an welchen Behandler der Patient gerät“, so Zurstraßen. Genauso sieht es Dr. med. Oliver Emrich, Vizepräsident der DGS.

„Ressourcen gibt es viele, aber sie werden nicht gut gesteuert.“
Ein Facharzt für Schmerzmedizin als höchste Versorgungsebene in einer abgestuften Versorgung könnte sowohl den Wunsch nach einem konstanten Ansprechpartner für den Patienten als auch die Anforderungen an eine breite Qualifikation im Sinne eines Querschnittsfachs erfüllen: Funktionell-orthopädische und pharmakologische Kenntnisse
würden ergänzt durch neurologische und psychotherapeutische Kenntnisse sowie durch die Kompetenz, invasiv-schmerztherapeutische Verfahren anzuwenden. Die DSL, die DGS und der BVSD plädieren deshalb für die Einführung dieses Fachgebiets im Rahmen der ärztlichen Weiterbildung.
Andere Wege aus dem Dilemma
Kassenärztliche Vereinigungen und Ärztekammern stehen einem Facharzt für Schmerzmedizin als Voraussetzung für schmerzmedizinische Bedarfsplanung bisher eher skeptisch gegenüber und so scheint eine flächendeckende wohnortnahe schmerzmedizinische Versorgung in weiter Ferne.
Dr. Eva Bartmann, BVSD-Vorstandsmitglied, plädiert dafür, im Rahmen der QS-Vereinbarung Teilzeit- und Familienoptionen auszuschöpfen, um jungen Ärztinnen und Ärzten mit schmerzmedizinischen Ambitionen entgegen zu kommen. Auch die Finanzierung der Weiterbildung ist optimierungsfähig, wie Müller-Schwefe betont: „Derzeit bezahlen  Schmerzmediziner die schmerzmedizinische Weiterbildung ihrer Kollegen aus der eigenen Tasche. Eine ähnliche Förderung wie in der Allgemeinmedizin wäre dringend nötig.“
Versorgungspolitisch bringt Dr. Axel Munte, Vorsitzender des Bundesverbands der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV), den neuen Versorgungssektor der ASV als eine Möglichkeit ins Spiel, die Schmerzversorgung in Deutschland voranzubringen. Im Rahmen der im Jahr 2014 eingeführten ASV können schwer kranke Patienten interdisziplinär und sektorübergreifend versorgt werden. Abrechnung und Vergütung erfolgen dabei außerhalb der üblichen vertragsärztlichen Versorgung ohne den Hemmschuh der Budgetierung. Bisher sei die Schmerzmedizin nur rudimentär in der ASV verankert, in Form von hinzuzuziehenden Fachärzten, und nur bestimmten wenigen Fachgebieten vorbehalten. Das könne sich aber ändern, so Munte, wenn sich die Schmerzmediziner, gut abgestimmt, für die ASV stark machten. Auch ein Ausbau der Selektivverträge zwischen Ärzten und Krankenkassen wäre mehr als nichts. „Die entscheidende Frage ist aber immer, ob wir eine Flächendeckung erreichen“, so Müller-Schwefe. „Hierfür ist der Facharzt für Schmerzmedizin aus unserer Sicht der beste Weg.”
Schmerzmedizin als Fachrichtung aufwerten
Ob es eine eigene Facharztrichtung Schmerzmedizin geben soll, sei zunächst Sache der ärztlichen Selbstverwaltung. „Allerdings plädieren wir als Politiker dafür, die spezialisierte Schmerzmedizin als Planungskriterium in die kassenärztliche Bedarfsplanung aufzunehmen”, erklärt Harald Weinberg, MdB, DIE LINKE. „Wir werden beobachten, ob die Festlegungen des Gemeinsamen Bundesausschusses in der Bedarfsplanungsrichtlinie und weitere regionale Festlegungen eine gute spezialisierte Schmerzbehandlung für die Versicherten gewährleisten”, so Weinberg. Das grundsätzliche Problem, dass Subspezialisierungen insbesondere innerhalb der Inneren Medizin bei der Bedarfsplanung
nicht ausreichend berücksichtigt werden, sei leider mit den letzten Gesetzen (Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) und Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) nicht hinreichend gelöst worden. „Zwar gibt es die Möglichkeit, auf regionaler Ebene Sonderbedarf  zu berücksichtigen, es wäre aber besser, für eine flächendeckend gute Versorgung
bundeseinheitliche Kriterien zu schaffen.”
Quelle:
Nationales Versorgungsforum Schmerz der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS), des
Berufsverbands der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in
Deutschland e.V. (BVSD) und der Deutschen Schmerzliga e.V. (DSL) „Schmerzmedizinische Versorgung
ambulant und wohnortnah“, 12. November 2015, Berlin
***
Kontakt:
Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS)
Dr. Heinz Beitinger, Tel.: 06171 – 2860 81
Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten
in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland e.V. (BVSD)
Wolfgang Straßmeir, Tel.: 030 – 288 672 60
Deutsche Schmerzliga e.V. (DSL)
PD Dr. Michael Überall, Tel.: 06171 – 28 60-53

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