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„Trinkerleber“ auch erblich bedingt: Warum nicht jeder Alkoholiker eine Leberzirrhose entwickelt

categories Allgemein, Ernährung, Forschung, Frauen, Hepatitis, Leber, Männer   21. Oktober 2015    

Nicht jeder starke Trinker entwickelt eine Leberzirrhose. Warum manche Menschen die lebensbedrohliche Erkrankung eher bekommen als andere, hat ein Forscherteam nun in einer großen Genom-Studie herausgefunden. Demnach hängt das individuelle Risiko unter anderem davon ab, welche Varianten dreier Gene ein Mensch im Erbgut trägt. Wie Experten der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) gemeinsam mit Kollegen in der Fachzeitschrift „Nature Genetics“ berichten, eröffnen sich mit den Erkenntnissen auch neue Möglichkeiten für die Therapie alkoholkranker Menschen.

„Alkoholkonsum ist tief in der westlichen Kultur verankert und interessanterweise besteht eine individuell sehr unterschiedliche Veranlagung für die verschiedenen alkoholbedingten Organschäden“, sagt Professor Dr. med. Jochen Hampe, Leiter des Bereichs Gastroenterologie und Hepatologie am Uniklinikum Dresden und einer der federführenden Autoren der Studie. Doch allzu oft hat der Alkoholgenuss schwerwiegende Folgen: Schätzungen zufolge leiden bis zu einer Million Menschen in Deutschland an einer alkoholischen Leberzirrhose, einer unheilbaren Erkrankung, bei der das Gewebe der Leber immer mehr vernarbt und das Organ seine Funktionen nach und nach einbüßt. Letztlich kann nur eine Transplantation das Leben der Patienten retten.

Durch eine Untersuchung des gesamten menschlichen Erbguts haben Forscher des Uniklinikums Dresden und dutzender kooperierender Einrichtungen in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Belgien und England nun herausgefunden, dass Varianten dreier Gene im Erbgut die Gefahr einer Leberzirrhose steigern. Hierzu hatten die Wissenschaftler mit Hilfe von Blutproben die DNA von über 4000 Alkoholkranken mit und ohne Leberzirrhose untersucht. „Eines der Risikogene war bereits bekannt“, erklärt Hampe. Sowohl für dieses als auch für die beiden neu gefundenen Gene konnten die Forscher einen eindeutigen statistischen Zusammenhang mit dem Zirrhose-Risiko belegen. „Menschen mit bestimmten Genvarianten  haben ein fünf- bis zehnfach erhöhtes Risiko, eine Leberzirrhose zu entwickeln“, sagt Hampe.

Die Ergebnisse der Studie eröffnen den Medizinern nun die Möglichkeit, besonders gefährdete Menschen früh zu identifizieren. Außerdem helfen sie den Wissenschaftlern, den Entstehungsprozess einer Leberzirrhose besser zu verstehen. „Alle drei Gene spielen eine Rolle im Fettstoffwechsel“, erklärt DGVS Experte PD Dr. med. Felix Stickel von der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie  des Universitätsspitals Zürich in der Schweiz. Neben ihrer Funktion als Energiespeicher dienen Fettmoleküle, auch Lipide genannt, dem Körper als Signale und Regulatoren für bestimmte Stoffwechselprozesse.  „Wenn wir den Krankheitsverlauf auf molekularer Ebene verstehen, können wir womöglich Therapien entwickeln, mit denen sich der Krankheitsprozess aufhalten lässt“, hofft der Experte.

Das Forschungsprojekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in den Förderprogrammen der „Virtuellen Leber“, dem „e:Med Forschungsnetz zur Alkoholabhängigkeit“ und dem „Nationalen Genomforschungsnetz“ unterstützt.

Literatur:

A genome-wide association study confirms PNPLA3 and identifies TM6SF2 and MBOAT7 as risk loci for alcohol-related cirrhosis

Buch S, Stickel F, Trépo E, Way M, Herrmann A, Nischalke HD, Brosch M, Rosendahl J, Berg T, Ridinger M, Rietschel M, McQuillin A, Frank J, Kiefer F, Schreiber S, Lieb W,  Soyka M, Semmo N, Aigner E, Datz C, Schmelz R, Brückner S, Zeissig S, Stephan AM, Wodarz N, Devière J, Clumeck N, Sarrazin C, Lammert F, Gustot T, Deltenre P, Völzke H, Lerch MM, Mayerle J, Eyer F, Schafmayer C, Cichon S, Nöthen MM, Nothnagel M, Ellinghaus D, Huse K, Franke A, Zopf S, Hellerbrand C, Moreno C, Franchimont D, Morgan MY, Hampe J

Nature Genetics; Online-Vorabpublikation vom 19.10.2015; DOI:10.1038/ng.3417

Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) wurde 1913 als wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane gegründet. Heute vereint sie mehr als 5.000 Ärzte und Wissenschaftler aus der Gastroenterologie unter einem Dach. Die DGVS fördert sehr erfolgreich wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ein besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von Standards und Behandlungsleitlinien für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Verdauungsorgane ‒ zum Wohle des Patienten. Mehr unter www.dgvs.de

 

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