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Fortgeschrittenes Pankreaskarzinom: Neue Kombinationen mit bewährten Therapieregimen können Wirksamkeit und Verträglichkeit verbessern

categories Allgemein, Darm, Endokrinologie, Frauen, Krebs, Magen-Darm, Männer, Tumore   13. Oktober 2015    

Mehr als 15 Jahre lang herrschte Stagnation in der Therapie von Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom. Nun eröffnen sich für die betroffenen Patienten und ihre behandelnden Ärzte neue Perspektiven. Gleich zwei Kombinationen führen zu deutlichen Verbesserungen der klinischen Ergebnisse gegenüber Gemcitabin allein. In der ACCORD11-Studie konnte mit FOLFIRINOX bei Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom eine signifikante Verbesserung des Überlebens sowie eine hohe Ansprechrate erreicht werden [1]. Eine weitere vielversprechende Kombination ist nab-Paclitaxel mit Gemcitabin. nab-Paclitaxel ist ein an Albumin gebundenes Paclitaxel, welches das desmoplastische Stroma depletiert und damit möglicherweise die Wirkung konventioneller Chemotherapeutika verstärkt. In einer großen Phase-III-Studie (MPACT) konnte mit diesem Regime als erste Kombinationschemotherapie mit Gemcitabin eine signifikante und klinisch relevante Verbesserung des Überlebens im Vergleich zur Gemcitabin-Monotherapie erreicht werden [2].

Der einzige kurative Therapieansatz des Pankreaskarzinoms bleibt die chirurgische Resektion des Tumors. Allerdings bestehen dabei nach wie vor hohe Rezidivraten. Während in der adjuvanten Therapie eine Behandlung mit Gemcitabin oder 5-Fluorouracil als Standard gilt, ist dies für die neoadjuvante Therapie beim lokal fortgeschrittenen duktalen Adenokarzinom des Pankreas (PDAC) noch offen. Die neuen Therapiekombinationen werden derzeit in einer Reihe von neoadjuvanten und adjuvanten Therapiekonzepten beim Pankreaskarzinom untersucht.

Neues zur Erstlinientherapie des fortgeschrittenen Pankreaskarzinoms

In der MPACT-Studie konnte unter nab-Paclitaxel+Gemcitabin im Vergleich zu einer Gemcitabin-Monotherapie ein signifikanter Überlebensvorteil von 8,7 vs. 6,6 Monate (p < 0,001) erreicht werden [2]. Im Rahmen des ESMO-Kongresses wurde eine Reihe weiterer Subgruppenanalysen publiziert. So untersuchten wir in einer Arbeit den Einfluss der Behandlungsdauer auf das Überleben der Patienten [3]. Dabei wurden Patienten, die bis zum Progress mit nab-Paclitaxel+Gemcitabin behandelt wurden (PD), verglichen mit Patienten, bei denen die Behandlung vorzeitig auf Grund von Nebenwirkungen beendet werden musste (AE). Das mediane Überleben lag in der PD-Gruppe bei 9,8 Monaten im Vergleich zu 7,7 Monaten in der AE-Gruppe (Abb. 1 und Abb. 2). Vermehrte Nebenwirkungen traten im Verlauf der längeren Behandlung nicht auf. Insgesamt unterstützen diese Daten ein optimales Nebenwirkungsmanagement, um möglichst eine Therapie bis zum Progress durchzuführen und so einen maximalen Therapieeffekt zu erreichen.


Abb. 1 MPACT-Studie: Gesamtüberleben der Patienten, die bis zum Progress mit nab-Paclitaxel+Gemcitabin bzw. Gemcitabin behandelt worden waren (modifiziert nach Vogel A et al., Poster Session: Gastrointestinal Malignancies – Noncolorectal Cancer, ESMO Congress 2015, #2358 [3].

Abb. 2 Subgruppenanalyse der MPACT-Studie: Gesamtüberleben der Patienten, bei denen die Behandlung mit nab-Paclitaxel+Gemcitabin bzw. Gemcitabin vorzeitig auf Grund von Nebenwirkungen beendet werden musste (modifiziert nach Vogel A et al., Poster Session: Gastrointestinal Malignancies – Noncolorectal Cancer, ESMO Congress 2015, #2358 [3]).

In einer weiteren aktuellen Analyse der Daten der MPACT-Studie wurde der Einfluss des Karnofsky-Index (KPS) zu Beginn der Therapie und im weiteren Verlauf untersucht. Dabei zeigte sich, dass sowohl bei Patienten in gutem (KPS-Score 90–100) als auch in etwas schlechterem Allgemeinzustand (KPS-Score 70–80) bei Behandlungsbeginn die Therapieintensivierung mit nab-Paclitaxel zu einem signifikant geringeren Abfall und deutlich längeren Erhalt des Karnofsky-Index führte [4].

In einer randomisierten Phase-II-Studie (AFUGEM) untersuchten Kollegen aus Frankreich [5], ob das in der MPACT-Studie verwendete Gemcitabin (NABGEM) durch infusionales 5-Fluorouracil (NABFU) ersetzt werden kann. Als Rationale für diese Studie wurden Daten aus dem adjuvanten Setting angeführt, in denen eine negative prädiktive Bedeutung von „human equilibrative nucleoside transporter 1“ (hENT1) für Gemcitabin gezeigt werden konnte. Insgesamt wurden 114 Patienten mit unbehandeltem metastasiertem Pankreaskarzinom 1:2 randomisiert und entweder mit 1.000 mg/m² Gemcitabin (an den Tagen 1, 8 und 15) oder mit LV/5-FU (Leucovorin 400 mg/m², 5-FU-Bolus 400 mg/m², gefolgt von 2.400 mg/m² 5-FU über 46 Stunden an den Tagen 1 und 15) in Kombination mit 125 mg/m² nab-Paclitaxel (an den Tagen 1, 8 und 15) behandelt. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS) nach 4 Monaten. In der Modified-Intention-to-treat-Analyse wurde die angestrebte 4-Monats-PFS-Rate von 50 % mit dem 5-FU-basierten Regime erreicht. Die Ansprechrate lag in beiden Armen mit 35,1 % (NABFU) vs. 39,5 % (NABGEM) relativ hoch. Das mediane PFS lag bei 6,4 (NABFU) vs. 4,9 (NABGEM) Monaten, das mediane Gesamtüberleben (OS) bei 11,6 (NABFU) vs. 9,2 Monaten (NABGEM) (Abb. 3). Hinsichtlich schwerwiegender Nebenwirkungen zeigten sich nur kleinere Unterschiede zwischen beiden Therapiekombinationen. Insgesamt bestätigen die Phase-II-Daten die Ergebnisse aus der MPACT-Studie und lassen eine ähnliche Wirksamkeit für eine Kombination von LV/5-FU mit nab-Paclitaxel vermuten.


Abb. 3 Vergleich der Therapieregime NABFU und NABGEM in Kombination mit nab-Paclitaxel als Erstlinientherapie bei Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom (modifiziert nach Bachet JB et al., Poster Session: Gastrointestinal Malignancies – Noncolorectal Cancer – Localised/Local Regional; ESMO Congress 2015; #2355 [5]).

In einer multizentrischen, retrospektiven Analyse untersuchten italienische Kollegen den Einsatz von nab-Paclitaxel+Gemcitabin außerhalb von Studienbedingungen [6]. Ein Fokus lag dabei auf älteren und fragilen Patienten vor dem Hintergrund, dass Studienpatienten häufig wesentlich jünger und fitter als „real life“-Patienten sind. In dem gesamten Kollektiv (mit allerdings auch nur einem medianen Alter von 67 Jahren) zeigte sich eine der MPACT-Studie vergleichbare, vielleicht etwas höhere, Aktivität mit einer Ansprechrate von 31 % und einem medianen PFS sowie einem medianen OS von 6,7 bzw. 11,3 Monaten. 15 % der Patienten waren 75 Jahre oder älter, 18 % waren mit einem ECOG 2 in einem etwas schlechteren Allgemeinzustand. Es zeigte sich kein signifikant schlechteres Überleben bei älteren Patienten oder bei Patienten mit ECOG 2 (Abb. 4) [7].


Abb. 4: nab-Paclitaxel+Gemcitabin bei „real life“-Patienten. Kein signifikant schlechteres Überleben bei älteren Patienten (links) oder bei Patienten mit ECOG 2 (rechts) (modifiziert nach Giordano G et al., Poster Session: Gastrointestinal Malignancies – Noncolorectal Cancer, ESMO Congress 2015, #2335 [7]).

Eine retrospektive Analyse mit 211 Patienten beleuchtete die Fragestellung, wie viele Patienten aus einem Real-Life-Kollektiv formal in die großen Phase-III-Studien NCIC (Gemcitabin-Erlotinib), MPACT (nab-Paclitaxel+Gemcitabin) und PRODIGE (FOLFIRINOX) hätten eingeschlossen werden können [8]. Dabei zeigte sich, dass nur 121 (57 %) die Ein- und Ausschlusskriterien für die Gemcitabin-Erlotinib-Studie, 50 (24 %) für die nab-Paclitaxel+Gemcitabin-Studie sowie 34 (16 %) für die FOLFIRINOX-Studie erfüllt hätten. Hauptgründe gegen einen Studieneinschluss waren schlechter ECOG, eine lokal fortgeschrittene Erkrankung sowie erhöhte Bilirubinspiegel.

Die Kombination von nab-Paclitaxel+Gemcitabin wird zunehmend die Chemotherapiegrundlage für eine Reihe neuer innovativer Substanzen. Die Tumorstromadepletion ist möglichweise ein wichtiger Wirkmechanismus von nab-Paclitaxel, mit dem die Verteilung von Gemcitabin im Tumor verbessert wird. Pegylierte rekombinante PEG PH20 stellt dahingehend eine weitere aussichtsreiche Substanz dar, die über einen Abbau von Hyaluronsäure zu einer Stromaauflockerung führen soll. Ähnlich wie beim ASCO-Meeting wurden nun auch auf dem ESMO-Kongress Daten aus der Interimsanalyse der Phase-II-Studie berichtet, in der 135 Patienten mit PEG PH20 plus nab-Paclitaxel+Gemcitabin bzw. nur mit nab-Paclitaxel+Gemcitabin behandelt wurden [9]. Neben einem häufigeren Auftreten von venösen Thrombosen zeigte sich insbesondere eine erhöhte Rate von Fatigue, Übelkeit, Anämie und Ödemen. Patienten mit hohem Hyaluronsäuregehalt in den Tumoren wiesen eine deutlich höhere Ansprechrate (52 % vs. 24 %) und ein längeres PFS (9,2 vs. 4,3 Monate) auf. Obwohl die Therapie bei 12 von 23 Patienten wegen der erhöhten Rate an Thrombosen vorzeitig gestoppt wurde, ließ sich ein Trend zu einem besseren medianen OS (12 vs. 9 Monate) nachweisen. Die Thrombosen ließen sich nach Protokollamendment durch Enoxaparinprophylaxe kontrollieren.

Abschließend wurde in einer Metaanalyse aus 28 Studien mit insgesamt 3.718 Patienten die Wirksamkeit einer gegen den „epidermal growth factor receptor” (EGFR) gerichteten Therapie beim Pankreaskarzinom untersucht. Dabei konnte erneut gezeigt werden, dass nicht selektionierte Patienten – insbesondere Patienten mit einer KRAS-Mutation und metastasierter Erkrankung – nicht von einer Therapie mit EGFR-Inhibitoren profitieren [10].

„Auch nach dem ESMO-Kongress 2015 stellen die Kombination von nab-Paclitaxel+Gemcitabin sowie das FOLFIRINOX-Schema den Standard für die Erstlinientherapie des fortgeschritten Pankreaskarzinoms dar.“ Prof. Dr. med. Arndt Vogel

Fazit

  • Eine längere Behandlung mit nab-Paclitaxel+Gemcitabin bis zum Progress ist sicher und in der MPACT-Studie mit einem längeren Überleben assoziiert.
  • nab-Paclitaxel+Gemcitabin erlaubt im Vergleich mit einer Gemcitabin-Monotherapie einen längeren Erhalt des Karnofsky-Index.
  • Der Einsatz von LV/5-FU in Kombination mit nab-Paclitaxel ist sicher und zeigt mindestens eine ähnliche Aktivität wie die Kombination mit Gemcitabin.
  • Nur ein Viertel der Patienten in einer Real-Life-Kohorte erfüllt formal die Einschlusskriterien der PRODIGE(FOLFIRINOX)- und MPACT(nab-Paclitaxel+Gemcitabin)-Studien, sodass Sicherheit und Effektivität der intensiveren Therapien auch bei den übrigen Patienten geprüft werden sollte.
  • nab-Paclitaxel+Gemcitabin scheint auch bei älteren (>= 75 Jahre) und fragileren (ECOG 2) Patienten sicher und effektiv zu sein.

Neues zur Zweitlinientherapie des fortgeschrittenen Pankreaskarzinoms

In der Zweitlinientherapie des fortgeschrittenen Pankreaskarzinoms wird seit einigen Jahren häufig die Kombination von 5-FU und Oxaliplatin nach Gemcitabinversagen eingesetzt. Erwartet wird derzeit auch noch die Zulassung von nanoliposomalem (nal-) Irinotecan zur Behandlung des metastasierten PDAC, ebenfalls nach Versagen einer Gemcitabin-basierten Therapie. Der Einsatz einer Zweitlinientherapie nach FOLFIRINOX oder nab-Paclitaxel+Gemcitabin ist bislang noch nicht gut definiert. In einer retrospektiven Aufarbeitung von 137 Patienten (108 mit FOLFIRINOX) erhielten 71 Patienten eine Zweitlinientherapie. Diese wurde in der Mehrzahl der Patienten Gemcitabin-basiert durchgeführt, teilweise in Kombination mit Oxaliplatin, Capecitabin oder nab-Paclitaxel. Bei einer Ansprechrate von 8 %, einem medianen PFS von 2,8 Monaten und einem medianen OS von 6,2 Monaten zeigte sich am ehesten bei Patienten mit niedrigerem CA19-9 eine gewisse Wirksamkeit [11].

Quellen

  1. Conroy T et al. FOLFIRINOX versus gemcitabine for metastatic pancreatic cancer. N Engl J Med 2011; 364: 1817–1825.
  2. Von Hoff DD et al. Increased survival in pancreatic cancer with nab-paclitaxel plus gemcitabine. N Engl J Med 2013; 369: 1691–1703.
  3. Vogel A et al. Efficacy and safety of nab-Paclitaxel (nab-P) plus gemcitabine (Gem) vs gem alone in patients (Pts) with metastatic pancreatic cancer (MPC) treated to progressive disease (PD) in the phase III MPACT trial. Poster Session: Gastrointestinal Malignancies – Noncolorectal Cancer, ESMO Congress 2015, #2358.
  4. Chiorean EG et al. Impact of nab-paclitaxel (nab-P) plus gemcitabine (G) vs gemcitabine alone on Karnofsky performance status (KPS) in metastatic pancreatic cancer patients with good or poor performance status at baseline: A post-hoc analysis of the MPACT trial. Poster Session: Gastrointestinal Malignancies – Noncolorectal Cancer- Localised/Local Regional; ESMO Congress 2015; #2346.
  5. Bachet JB et al. Nab-paclitaxel plus gemcitabine or plus simplified LV5FU2 as first-line therapy in patients with metastatic pancreatic adenocarcinoma. A GERCOR randomized phase II study (AFUGEM). Poster Session: Gastrointestinal Malignancies – Noncolorectal Cancer – Localised/Local Regional; ESMO Congress 2015; #2355.
  6. Giordano G et al. Nab Paclitaxel (Nab-P) and Gemcitabine (G) as first line chemotherapy (CT) in advanced pancreatic cancer (APDAC) patients (pts): An Italian “real life” study. Poster Session: Gastrointestinal Malignancies – Noncolorectal Cancer, ESMO Congress 2015, #2334.
  7. Giordano G et al. Analysis of activity, efficacy and safety of first line Nab Paclitaxel (Nab-P) and Gemcitabine (G) in advanced pancreatic cancer (APDAC) frail and elderly patients (pts). Poster Session: Gastrointestinal Malignancies – Noncolorectal Cancer, ESMO Congress 2015, #2335.
  8. Aknoundova D et al. A study of the representativity of the NCIC, PRODIGE and MPACT phase III trials of gemcitabine-erlotinib, FOLFIRINOX and gemcitabine-nab-paclitaxel in patients with advanced pancreatic cancer treated in a real-life setting. Poster Session: Gastrointestinal Malignancies – Noncolorectal Cancer- Localised/Local Regional; ESMO Congress 2015; #2325.
  9. Hingorani S et al. High response rate and progression free survival with PEGylated recombinant human hyaluronidase added to Nab-Paclitaxel/Gemcitabine in stage IV previously untreated pancreatic cancer patients with high-HA tumors: Interim results of a randomized Phase 2 study. Presented at Poster Session: Gastrointestinal Malignancies – Noncolorectal Cancer, ESMO Congress 2015, #2321.
  10. McNamara MG et al. Targeting the epidermal growth factor receptor (EGFR) in addition to chemotherapy in patients (pts) with advanced pancreas cancer: A systematic review and meta-analysis. Poster Session: Gastrointestinal Malignancies – Noncolorectal Cancer, ESMO Congress 2015, #2293.
  11. Vivaldi C et al. Second-line treatment after disease progression following first-line chemotherapy with modified FOLFIRINOX in advanced pancreatic cancer patients. Poster Session: Gastrointestinal Malignancies – Noncolorectal Cancer, ESMO Congress 2015, #2362.Verfasser: Prof. Dr. med. Arndt Vogel, Medizinische Hochschule Hannover

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