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Wenn die Mitralklappe nicht mehr richtig schließt: „Ein innovativer Clip hilft in einem kleinen Eingriff mit großem Erfolg“

categories Herz, Kardiologie   28. April 2015    

Großes Exklusiv-Interview mit einer interventionellen Kardiologin: “Ein innovativer Clip hilft in einem kleinen Eingriff mit großem Erfolg”

Abbott – Mitralclip

Schon nach drei Treppenstufen stehen bleiben und schnaufen, selbst beim Anziehen oder Unkrautjäten nach Luft ringen – atemloser Alltag für Menschen mit einer undichten Mitralklappe. Medikamente lindern bislang lediglich die Symptome der so genannten Mitralklappen-Insuffizienz. Oder die defekte Herzklappe wird repariert oder durch ein Implantat ersetzt. Für den Patienten bedeutet das eine große Operation am offenen Herzen, mit Herz-Lungen-Maschine und einem hohen Risiko für seine Gesundheit. Das neuartige, MitraClip-Verfahren per Katheter kommt mit einer Punktion der Leistenvene aus. Ganz schonend – und mit einer hohen Erfolgsrate von 95 Prozent. Prof. Dr. med. Ilka Ott, Oberärztin am Deutschen Herzzentrum München, erklärt in einem exklusiven Interview, wie diese innovative Methode funktioniert.

Was ist eigentlich eine Mitralklappen-Insuffizienz?

Prof. Ott: Die Mitralklappe liegt zwischen dem linken Vorhof und der linken Herzkammer. Sie soll mit ihren beiden segelähnlichen Klappenteilen sicherstellen, dass die Herzkammer Blut, das mit Sauerstoff angereichert ist, aus den Lungen ausschließlich in Richtung Körperkreislauf pumpt und es nicht zurück strömt in die Atemorgane. Diese wichtige Klappe ist bei der Mitralklappen-Insuffizienz undicht. Es fließt deshalb Blut zurück in die Lungen, mal mehr, mal weniger. Gleichzeitig aber strömt erneut Blut aus den Lungen in die linke Herzkammer. Die Folge: Die Gesamtmenge des Blutes steigt an. Das belastet die Herzkammer massiv. Auf Dauer kann es zu einer Überlastung kommen. Durch diese chronische Überforderung kann das Herz schließlich versagen.

Wie viele Deutsche sind daran erkrankt?

Prof. Ott: An einer Mitralklappen-Insuffizienz leiden in Deutschland zwischen 800.000 und einer Million Patienten, also rund ein bis zwei Prozent der Gesamtbevölkerung. Mit zunehmendem Alter wächst die Zahl der Betroffenen. Sie liegt bei Menschen über 75 Jahren bei bis zu über zehn Prozent.

Welche Ursachen können dahinter stecken?

Prof. Ott: Als Ursache kommen z. B. Durchblutungsstörung des Herzmuskels durch Verengungen oder Verschlüssen der Herzkranzgefäße infrage. Aber auch Erkrankungen wie eine Entzündung, bei der sich die linke Herzkammer ausweitet. Zudem können sich die Mitralklappen-Segel oder der Halteapparat der Klappe so verändern, dass sie nicht mehr funktionsgerecht schließen. Das bezeichnen wir als primäre Form der Mitralklappen-Insuffizienz. Es gibt aber noch eine zweite Form: die sekundäre Mitralklappen-Insuffizienz. Dabei verändern Herzmuskelerkrankungen, -entzündungen oder lokal begrenzte Durchblutungsstörungen durch bestimmte Umbauprozesse die gesamte Geometrie des Mitralklappen-Apparates. Obwohl dann die einzelnen Bestandteile des komplizierten Mechanismus im Prinzip nicht krankhaft verändert sind, klappt ihr Zusammenspiel als Einheit nicht mehr ganz so gut. Das führt bei dieser Form der Mitralklappen-Insuffizienz z. B. dazu, dass sich bei den Patienten durch Sport, Gartenarbeit oder andere körperliche Belastungen der Blutfluss verschlechtert. Die Pumpleistung des Herzens sinkt. Das sorgt schließlich dafür, dass der Druck im Lungenkreislauf ansteigt und dadurch schließlich auch das rechte Herz geschädigt wird.

Gibt es Symptome oder Vorboten, an denen auch der medizinische Laie eine solche Erkrankung erkennen kann?

Prof. Ott: Ja. Bei einer hochgradigen Mitralklappen-Insuffizienz etwa kommt es schon bei geringster Anstrengung zu ausgeprägter Luftnot. Dann schnappen die Patienten selbst beim Ankleiden oder nach wenigen Stufen Treppensteigen nach Luft. Im schlimmsten Fall kann dies zu einer Wasseransammlung in der Lunge führen. Dann müssen die Betroffenen oft sogar künstlich beatmet werden.

Welche Folgen hat die Erkrankung für den Alltag der Betroffenen?

Prof. Ott: Sie schränkt ihr Leben deutlich ein, verringert auch ihre Lebensqualität ganz erheblich. Denn Sie müssen bedenken, dass jede körperliche Anstrengung zu einer bedrohlichen und sehr unangenehmen Atemnot-Attacke führt.

Lassen sich die Symptome medikamentös behandeln?

Prof. Ott: Nur eingeschränkt, z. B. durch Entwässerungsmittel. Oder durch bestimmte gefäßerweiternde Medikamente. Sie können es den Herzmuskeln erleichtern, sich zusammen zu ziehen und Blut aus den Herzkammern heraus zu pumpen. Ursächlich kann eine Verbesserung aber nur erreicht werden, wenn die Undichte der Klappe verringert wird.

Hilft dann nur noch eine Operation?

Prof. Ott: Bei einer hochgradigen Mitralklappen-Insuffizienz und typischen Symptomen wie schwerer Luftnot wird in der Regel eine operative Behandlung angestrebt. Bei Patienten mit einem niedrigen Operationsrisiko wird versucht, die Klappen zu erhalten oder zu ersetzen. Eine solche Mitralklappen-Rekonstruktion ist derzeit das bevorzugte operative Therapieverfahren. Denn das Wiederherstellen der Klappe ist wahrscheinlich mit einem geringeren Operations-Risiko verbunden und weist die bessern Überlebensraten auf als ein Klappenersatz. Es gibt jedoch Patienten mit einem erhöhten operativen Risiko. Dazu gehören z. B. ältere Patienten, Patienten mit Vorhofflimmern, mit einer eingeschränkten Herzleistung oder Patienten mit einem erhöhten Lungenarteriendruck.

Gibt es für diese Risikopatienten neue, schonende Alternativen?

Prof. Ott: Ja. Sie können heutzutage auch mit einer MitraClip-Therapie behandelt werden. Sie kommt als Alternative zu einer Operation auch in Frage, wenn etwa die Speicherfähigkeit des Herzens deutlich eingeschränkt ist. Oder bei ausgeprägten Nebenerkrankungen, die das Operationsrisiko erhöhen. Auch Patienten, bei denen bereits eine Herz- oder Lungenoperation durchgeführt wurde, profitieren von dieser Methode. Ungeeignete Patienten lassen sich häufig durch eine vorgeschaltete Ultraschall-Untersuchung durch die Speiseröhre, der so genannten transösophagealen Echokardiographie, herausfinden.

Wie geht dieser Eingriff vor sich?

Prof. Ott: Bei dieser minimal-invasiven Technik muss der Brustkorb nicht geöffnet werden. Der Arzt punktiert vielmehr die Vene in der rechten Leiste. Durch das winzige Loch schiebt er einen Katheter wird bis zum rechten Vorhof des Herzens. vor Hier punktiert er die Scheidewand vom rechten in den linken Vorhof und schiebt über diese Schleuse das MitraClip-System® in den linken Vorhof vor. Der Clip wird dann über die Mitralklappe gesteuert, millimetergenau ausgerichtet und geschlossen, wenn er die Segel eingefangen hat. Der gesamte Eingriff wird durch einen 3D-Ultraschall kontrolliert, bei dem eine Schallsonde in die Speiseröhre eingeführt wird.

Professor Ott

Wie lange bleibt der Patient danach in der Klinik?

Prof. Ott: In der Regel werden die Patienten nach vier Nächten wieder aus dem Krankenhaus entlassen.

Wie hoch sind die Erfolgschancen?

Prof. Ott: Die klinischen Erfahrungen der letzten Jahre mit dem MitraClip-System® haben gezeigt, dass diese Behandlung bei Hochrisikopatienten mit einer sekundären Mitralklappen-Insuffizienz einen viel versprechenden Ansatz darstellen kann. Die Erfolgsrate liegt bei 95 Prozent, wenn wir das deutsche Mitralklappen-Register “Transcatheter Mitral Valve Interventions” (TRAMI)-Register zugrunde legen. Für den Patienten ist der Erfolg des Eingriffs schnell und vor allem deutlich spürbar: Atemnot, Herzrhythmusstörungen und rasche Erschöpfung selbst bei ganz normalen körperlichen Belastungen des Alltags lassen nach. Das verbessert seine Lebensqualität um ein Vielfaches!

Mehr Informationen bietet die neue Website www.herzklappenhilfe.de. Dort werden Betroffene und ihre Angehörige umfassend über Erkrankungen der Herzklappen und die Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt. News, Patienten-Interviews, Ratgeber-Downloads sowie ein Arzt- und Klinikfinder runden das patientenorientierte Service-Paket ab.

Quelle: Abbott

 

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