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Neue Endoskopie-Technik „made in Germany“: Kleine Darmtumoren ohne Operation entfernenDarm, Krebs, Magen-Darm, Tumore 15. Oktober 2014 |
Kleine Darmtumoren könnten künftig mit einem neuartigen Gerät schon während einer Darmspiegelung entfernt werden. Mithilfe des „Full-Thickness Resection Device“ (FTRD, zu deutsch „Gerät zur Vollwandentfernung“) gelang es Spezialisten am Klinikum Ludwigsburg erstmals, flache Adenome aus der Darmwand ihrer Patienten minimalinvasiv, mittels eines Endoskops, zu entfernen. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Gastroenterology“ berichten die Experten über die neue Methode, die sie gemeinsam mit dem Tübinger Unternehmen OVESCO entwickelt haben. Mit der Technik könnte vielen Patienten die Risiken und Unannehmlichkeiten einer Operation erspart und Kosten im Gesundheitssystem reduziert werden, so die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS).
Adenome sind Gewebsveränderungen der Darmschleimhaut, aus denen sich Darmkrebs entwickeln kann. Die meisten Adenome ragen mit einem „Stiel“ in das Innere des Dickdarms hinein. Ärzte können sie bei der Darmspiegelung problemlos entfernen. Sie verwenden dabei ein Endoskop, ein flexibles, röhrenförmiges Untersuchungsinstrument, um kleinere Eingriffe von Innen heraus vorzunehmen. Schwieriger wird dies bei flachen Adenomen, die sich nicht von der Darmwand abheben lassen. Für deren Entfernung müssen Betroffene sich bislang einer Bauchoperation unterziehen. Ein neues Spezialgerät könnte einigen Patienten diesen Eingriff künftig ersparen.
Bei dem „Full-Thickness Resection Device“ (FTRD) handelt es sich um eine Kappe, die auf die Spitze des herkömmlichen Endoskops gesetzt wird. Wenn der Arzt das Adenom bei der Darmspiegelung entdeckt, platziert er die Endoskopspitze über dem Adenom. Dann greift er dieses mit einer Zange und zieht es gemeinsam mit allen Schichten der Darmwand in die Kappe hinein. Im nächsten Schritt legt der Arzt einen speziellen „Clip“ um den eingezogenen Darmabschnitt und schneidet ihn mit einer Schlinge heraus. „Der Clip ist ein Kurzzeit-Implantat und verhindert, dass sich ein Loch in der Darmwand bildet“, erläutert Professor Dr. med. Karel Caca, Ärztlicher Direktor der Medizinischen Klinik I – Gastroenterologie/Hepatologie am Klinikum Ludwigsburg.
Caca stellt die Behandlungsergebnisse von drei Patienten in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Gastroenterology“ vor. Darüber hinaus berichtete der Wissenschaftler auf dem Kongress „Viszeralmedizin 2014“ im September über die Erfahrungen mit 25 weiteren Patienten. „Die Erfolgsrate liegt bei 75 Prozent“, so Caca. Bei drei von vier Patienten konnten die Ärzte die Wucherungen also auf Anhieb entfernen. „Für die anderen Patienten besteht die Chance, dass dies in einem zweiten Schritt gelingt. Das minimalinvasive Verfahren kann problemlos wiederholt werden“, betont Caca.
Auch bei anderen Eingriffen könnte das Gerät künftig zum Einsatz kommen. „Es bietet sich zum Beispiel an, wenn Frühkarzinome im Darm nicht sicher komplett beseitigt wurden oder auch um kleine, unter der Schleimhaut gelegene Tumoren zu entfernen“, erklärt Caca. Auch Kinder sollen von der Entwicklung profitieren: Bei bestimmten Erkrankungen des Darmnervensystems, wie etwa dem „Morbus Hirschsprung“, ist für die Diagnostik eine Vollwandbiopsie notwendig. Eine solche Gewebsentnahme kann bisher nur im Rahmen einer Operation erfolgen.
Um die Sicherheit für die Patienten zu gewährleisten, müssen Kliniken, die das Gerät anschaffen wollen, ihre Ärzte zunächst in der Anwendung schulen lassen. „Außerdem ist dieser Eingriff Spezialzentren vorbehalten“, erklärt Caca. Das FTRD-System wird von der Tübinger Firma Ovesco Endoscopy hergestellt und vertrieben. „Ich freue mich über diese Kooperation. Sie ist in meinen Augen ein gelungenes Beispiel dafür, wie sich Forschung an Universitäten und Schwerpunktkrankenhäusern mit der Entwicklung und Vermarktung innovativer Techniken erfolgreich verzahnen lässt“, sagt Caca.
„Zwar muss sich die FTRD-Technik noch in größeren Studien bewähren“, sagt Professor Dr. med. Christian Trautwein, Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Unabhängig davon sei der Nutzen für die Patienten schon jetzt erkennbar. Die Erfinder aus Süddeutschland knüpften dabei an eine Tradition deutscher Gastroenterologen an, so Trautwein: Bei der Entwicklung der Endoskopie spielten Ärzte hierzulande bereits früher eine Schlüsselrolle. Angeregt durch die Darbietung eines Schwertschluckers führten Adolf Kußmaul und Julius Müller 1868 erstmals Spiegelungen der Speiseröhre und des Magens durch. 1932 entwickelte der Endoskopiker Rudolf Schindler gemeinsam mit dem Instrumentenbauer Georg Wolf das erste „semiflexible“ Endoskop.
Literatur:
Endoscopic Full-Thickness Resection Using a Novel Over-the-Scope Device
Gastroenterology. 2014 Oct;147(4):740-742. Schmidt A, Damm M, Caca K
Die DGVS im Internet: