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“Leben nach dem Tumor” Lebensqualität und Probleme nach Knochenmarktransplantation

categories Allgemein, Mund-Kiefer-Gesicht, Tumore   11. Juli 2014    

Im Rahmen der interdisziplinären Zusammenarbeit an der Schnittstelle zur Allgemeinmedizin ist oftmals gerade der MKG-Chirurg gefragt, wenn es um Abstoßungsreaktionen bei Patienten mit Knochenmarktransplantaten geht. Was sind erste Anzeigen und welche Behandlungsalternativen sind möglich? Und was hat die MKG-Chirurgie damit zu tun? Ein wichtiges Thema war dies auf der Jahres-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG) anlässlich des großen 64. Kongresses im. Juni in Mainz

Nicht nur Prominente wie José Carreras waren oder sind davon betroffen: An einer Leukämie kann jeder erkranken. Bei Patienten mit Erkrankungen des blutbildenden und lymphatischen Systems (z.B.: Leukämien (Blutkrebs) oder Lymphomen (Lymphdrüsenkrebs)), ist die Bildung oder Reifung von Blutzellen gestört. Für viele Patienten ist eine Heilung nur durch eine Transplantation von gesunden Blutstammzellen eines verwandten oder fremden Stammzellspenders möglich. Bei einer solchen allogenen Blutstammzelltransplantation wird zuerst die erkrankte Blutbildung des Patienten durch eine intensive Hochdosis-Chemotherapie (oder auch Kombination aus Chemotherapie und Bestrahlung) zerstört. Anschließend werden die gesunden Blutstammzellen des gesunden Spenders dem Patienten zugeführt, der nun lebenslang mit einer neuen gesunden Blutbildung leben kann. Mit der allogenen Stammzelltransplantation wird dem Patienten auch das Immunsystem des Spenders transplantiert. Diese neuen Immunzellen können als Nebenwirkung auch gesunde Körperzellen des Patienten (z.B. die Haut oder Schleimhaut) angreifen. Diese Nebenwirkung nennt man Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion oder auch Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD, D = disease). Die GvHD kann alle Organe betreffen und neben einer Einschränkung der Lebensqualität auch lebensgefährliche Folgeerkrankungen auslösen. Die Mundschleimhaut und die Speicheldrüsen sind sehr häufig von einer GvHD betroffen. Patienten leiden bei GvHD der Mundschleimhaut unter sehr trockenem Mund, Schmerzen bei der Nahrungsaufnahme und der Mundhygiene sowie leider auch an Zweit-Tumorerkrankungen in der Mundhöhle.

Rolle des MKG-Spezialisten vor der Konditionierungstherapie der Patienten

Durch die Hochdosis-Chemotherapie wird die Mundschleimhaut beschädigt und entzündet sich häufig. Zusätzlich sind die Patienten nach der Hochdosis-Chemotherapie für eine längere Zeit Infektions-gefährdet. Um mögliche Infektionsherde  schon frühzeitig zu erkennen und vor der Transplantation zu behandeln, werden Patienten von verschiedenen Fachärzten gründlich untersucht. Die Patienten, die in der Universitätsmedizin Mainz für eine Blutstammzelltransplantation vorbereitet werden, werden in der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, plastische Operationen der Universitätsmedizin untersucht, beraten und ggf auch der Infektionsherd entfernt.

Die Rolle des MKG-Spezialisten beim Auftreten von Graft-versus-Host-Disease (GvHD)

Patienten nach allogener Blutstammzelltransplantation werden in Mainz in einer Spezialambulanz für Stammzelltransplantation in der III. Medizinischen Klinik lebenslang betreut. Hier wird unter anderem besonders auf das Auftreten von chronischer GvHD geachtet. Viele Patienten entwickeln nach allogener Stammzelltransplantation eine chronische GvHD (52-83%) (Schubert & Correa 2008), bei den meisten Patienten ist die Mundschleimhaut betroffen (>80% (Noce et al. 2011)). Die chronische GvHD kann zu Mundtrockenheit, brennenden Bläschen am Gaumen (Mukozelen), einer weißlichen Veränderung der Schleimhaut mit Wachstum von atypischen Zellen (Leukoplakie, oraler Lichen planus), zu schmerzhaften Ulzerationen, zur Reduzierung der Geschmackswahrnehmung (Atrophie der Zungenpapillen), zur Einschränkung der Zungenbeweglichkeit (Sklerose des Zungenbändchens) und Mundöffnungsstörung (Sklerose der Ober- und Unterlippe) kommen (Filipovich et al. 2005). Diese Beschwerden führen leider bei vielen Patienten zu einer starken Beeinträchtigung der Lebensqualität. Möglichkeiten zur Behandlung der chronischen GVHD gibt es. Hierfür werden in der Universitätsmedizin Mainz unterschiedliche Medikamente eingesetzt und klinische Studien mit neuen Wirkstoffen durchgeführt.

Wichtig ist, andere Ursachen für Mundschleimhautentzündungen vor Beginn einer Behandlung zu untersuchen (z.B. Infektionen mit Pilzen oder zahnärztliche Problemen). Leider kann es auch zur Entwicklung von bösartigen Tumoren in der Mundhöhle kommen, die ähnlich aussehen können (Atsuta et al. 2014). Um Veränderungen an der Mundschleimhaut frühzeitig feststellen und ihre Ursachen untersuchen zu können, werden die Patienten regelmäßig gemeinsam von Fachärzten der III. Medizinischen Klinik und der Klinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie untersucht und bei Bedarf wird auch eine Gewebeprobe zur feingeweblichen Untersuchung gewonnen.

Orale Rehabilitation der Patienten mit dentalen Implantaten

Viele Patienten leiden nach der Blutstammzelltransplantation an Karies und Zahnfleischentzündungen. Häufig ist eine Versorgung mit einer herkömmlichen herausnehmbaren Prothese wegen der Mundtrockenheit und Schleimhautentzündung nicht möglich. Implantate stellen teilweise für diese Patienten die einzige Möglichkeit dar, wieder mit einem Zahnersatz versorgt zu werden. Aufgrund der fragilen und empfindlichen Mundschleimhaut der Patienten, als auch der erhöhten Infektionsgefahr bei chirurgischen Eingriffen muss diese Versorgung in enger Zusammenarbeit von behandelndem Hämatologen und erfahrenem Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen geplant werden. Beispielhaft an der Universitätsmedizin Mainz wurden bei sorgfältiger Planung und Durchführung mittlerweile vielfältige gute Erfahrungen mit Implantatversorgungen für Patienten mit chronischer GvHD nach allogener Stammzelltransplantation gemacht.

Für viele Patienten mit Tumorerkrankungen gibt es durch intensive nebenwirkungsreiche Therapien die Möglichkeit der Heilung. Um die Patienten sicher durch diese Behandlung zu begleiten und auch später eine gute Lebensqualität zu erhalten, bedarf es der engen und vertrauensvollen Kooperation unterschiedlicher Fachdisziplinen. An der Universitätsmedizin Mainz beispielsweise ist die gemeinsame Sorge um die Patienten durch die Kooperation von III. Medizinischer Klinik und der Klinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie in gemeinsamer Patientenversorgung etabliert. Quelle: MKG-Chirurgie

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