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Irrigation ermöglicht Stuhlkontinenz bei Kolostomiepatienten

categories Blut, Darm, Tumore   30. Juli 2013    

Irrigation ist sicher und spart Kosten – das zeigten die Vorträge der Referenten in dem B. Braun Symposium “Change your Mind on Irrigation: Facts and Perspectives” im Rahmen des 12. internationalen Kongresses des ECET in Paris im Juni. Die Referenten forderten die Stomatherapeuten und Pflegenden auf, die Irrigation als eine Alternative in der Stomaversorgung zu sehen. Denn die Irrigation verbessere die Lebensqualität von Patienten. „Der Patient muss die Wahl zwischen Beutel und Irrigation haben”, erklärte die Stomatherapeutin Lisa Loxdale aus Großbritannien.

Die Vorteile der Irrigation[ii]sind unumstritten und in verschiedenen klinischen Studien belegt, aber sie sind im medizinischen Alltag nicht fest verankert. Das sagte Dr. Brigitte Espirac, Chief Medical Officer der B. Braun Medical SAS in Paris, die das Symposium moderierte. Die klinische Evidenz zeige zwar, dass Irrigation eine Rolle in der Rehabilitation von Stomapatienten spielen könne, aber in der Ausbildung von Pflegefachkräften spiele die Methode eine untergeordnete Rolle. Es sei notwendig, die Methode immer wieder in den Fachkreisen zu schulen, um die Vorteile für die Versorgung des Patienten aufzuzeigen und die Irrigation zu etablieren.

Die Stomatherapeutin Lisa Loxdale aus Großbritannien verwies darauf, das nur fünf Prozent der Kolostomiepatienten in Großbritannien irrigieren, im Vergleich zu 90 Prozent in den USA. Sie erklärte, dass hauptsächlich der Zeitdruck von Pflegekräften und das mangelnde Wissen des Personals dafür verantwortlich seien. Loxdale ermunterte professionell Pflegende, Patienten und sich selbst mit dieser Methode vertraut zu machen, auch wenn es zu Beginn Zeit bräuchte. Ein Stoma habe nicht nur Einfluss auf das körperliche Erscheinungsbild, sondern auch sozial und psychologisch massiven Einfluss auf das Leben. Der Patient müsse sich damit auseinandersetzen, keine Kontrolle mehr über seine Ausscheidungen zu haben und fürchte schlechte Gerüche, Gase und ein Auslaufen des Stuhls. Die Irrigation könne ein Weg sein, sich wieder kontinent zu fühlen. „Nur etwa fünf Prozent der Kolostomieträger hören auf zu irrigieren, wenn sie einmal damit begonnen haben“, erklärte Loxdale. Hinzu käme, dass die Kosten, die bei einer Beutelversorgung entstehen, weitaus höher seien als bei der Irrigation.

Es sind mehr Vorurteile als Fakten, warum Pflegende die Irrigation als alternative Methode in der Stomaversorgung nicht standardmäßig vorschlagen. Der Mangel an Erfahrung, falsche Vorstelllungen über den Aufwand bzw. die Angst vor intensiver Beratung und Begleitung der Patienten sind einige der Vorurteile,“ erklärte Jos Calis aus den Niederlanden. Dabei müsse die Irrigation nicht täglich durchgeführt werden und das Volumen an Wasser, was man für die Irrigation bräuchte, könne Schritt für Schritt reduziert werden. Auch könne die Irrigation nur im Urlaub oder an den Wochenenden genutzt werden.

Für Calis ist es das Ziel bei der Irrigation mit einem Minimum an Zeit und Wasser, den größtmöglichen Erfolg zu erzielen. Neben dem Wunsch der Patienten, die Methode auszuprobieren, gibt es auch Stomaindikationen, bei denen die Irrigation den Beuteln klar vorzuziehen sei, z. B. bei Hautproblem wie Pyoderma, Hautfalten oder Fisteln. Irrigation hilft peristomale Hautveränderungen zu verhindern”, sagte er.”[iii] Da die Irrigation dem Patienten viele Vorteile biete, müsse sie einen größeren Stellenwert in der Beratung haben. Er riet, den Patienten bereits vor der Operation und Anlage des Stomas über die Vorteile der Methode aufzuklären. Irrigation sei diskret. „Patienten haben keine Stuhlproduktion für ein bis zwei Tage. Sie können arbeiten, normale Kleidung tragen, zum Sport gehen – als hätten sie kein Stoma“, so Calis. Die Irrigation mache es dem Patienten möglich, seine Ausscheidungen zu kontrollieren. Ein Minibeutel oder eine Stomakappe zum Verschluss des Stomas reiche für einen Tag.

Die Irrigation als Methode zu kennen, ist auch wichtig, wenn es um die Berücksichtigung religiöser Rituale und kultureller Praktiken geht. Besonders im Kulturkreis des Islam verschweigen die Patienten ihr Stoma. Die türkische Professorin für Pflegewissenschaften an der Gazi Universität des Gesundheitswesens Prof. Dr. Ayise Karadag empfiehlt die Irrigation deshalb besonders für gläubige Moslems, weil sich damit ungewollter Gas- und Stuhlaustritt vermeiden lassen. Im Islam ist das Gebet ein wichtiges Ritual, das fünf Mal am Tag absolviert werden muss. Um zu beten, müssen sich gläubige Moslems einem Reinigungsritual unterziehen. Diese rituellen Waschungen symbolisieren Aspekte von Reinheit – was durch ein Stoma und den Austritt von Gasen und Stuhl gestört wird. Die Gebete und damit die Beziehung zu Gott würden beschmutzt. Daher sei die Irrigation eine wertvolle Therapiemethode.

Zusammenfassung: Die Irrigation verbessert die Lebensqualität und reduziert Krankheitskosten. Sie kann eine große Rolle in der Rehabilitation von Stomapatienten spielen, aber es besteht nach wie vor ein hoher Schulungsbedarf bei medizinischem Personal, um die Methode mit all ihren Vorteilen zu etablieren.

Hintergrundinformation:
Die ersten Aufzeichnungen zur Irrigation oder Darmspülung finden sich bereits 1500 vor Christus. Sie wurde in früheren Zeiten bereits für verschiedene Erkrankungen verwendet. Die Methode wird heute in der Stomaversorgung für Kolostomieträger empfohlen. Ziel einer Irrigation ist es, den Darm durch regelmäßiges Spülen zu einer erhöhten Muskeltätigkeit (Peristaltik) anzuregen. Die durch die Darmspülung angeregte Muskeltätigkeit führt zu einer kompletten Entleerung des Dickdarms zu einem gewünschten Zeitpunkt, sodass der Betroffene anschließend bis zu 48 Stunden ohne Darmentleerung auskommen kann. Die Dauer dieses Zeitraums hängt unter anderem von der Länge des verbliebenen Darms und von den Ernährungsgewohnheiten des Kolostomieträgers ab. Zu Beginn der Behandlung sollte für die gesamte Irrigation bis zu eine Stunde veranschlagt werden. Mit fortschreitender Routine kann der Zeitaufwand auf ca. 30 Minuten gesenkt werden. Entscheidend für den Erfolg der Irrigation ist die regelmäßige Anwendung. Eine Irrigation tritt nicht an Stelle der Darmfunktionen, sondern unterstützt die natürliche Fähigkeit des Darms, sich selbst zu entleeren. Es gibt keinen Gewöhnungseffekt, wie dies z. B. bei regelmäßigem und dauerhaftem Gebrauch von Abführmitteln auftritt. Eine Darmspülung kann die Anzahl der gasbildenden Bakterien im Darm senken, wodurch unerwünschte Blähungen deutlich nachlassen. Wenn Hautfalten, Narbengewebe oder eine ungünstige Lage die Versorgung des Stomas erschweren, ist die Irrigation häufig die einzig sichere Behandlungsmethode.

Grundsätzlich muss die Irrigation mit dem behandelnden Arzt unter Abwägung möglicher Risiken abgesprochen werden. Die Irrigation darf nur nach schriftlicher Anweisung durch den Arzt und unter Anleitung von entsprechend ausgebildetem Fachpersonal ausgeführt werden. Sobald der Betroffene mit der Ausrüstung und der Prozedur vertraut ist, kann er die Irrigation selbstständig durchführen.


[i]Eva Carlsson, J Wound Ostomy Continence nurse 2010;37(5)511-516 : Positive and Negative Aspects of Colostomy Irigation:A patient and WOC Nurse perspective

[ii]Sarah Varma :BJN Stoma Care Supplement 2009 vol 18 No 4 :Issues in Irrigation for people with a permanent colostomy /a review

[iii]Ayse Karadag and Zehra G. Baykara : Importance of colostomy irrigation for muslim individuals (2009) –

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