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Speichel der Krustenechse: Eine Hoffnung fur Typ 2 Diabetiker?Diabetes 15. Mai 2007 |
Menschen mit Typ 2 Diabetes konnten in Zukunft von einem neuen, intelligenten Wirkstoff profitieren. Ursprunglicher Fundort: im Speichel der seltenen, nordamerikanischen Gila Krustenechse. Die Herstellung des Wirkstoffes erfolgt vollsynthetisch. Zwei der ausergewohnlichen Tiere sind ein Geschenk des Pharmaunternehmens Lilly, das Ende November 2006 die Deutschland-Zulassung fur ein neues Diabetes-Medikament erhalten hatte.
Das Medikament enthalt den Wirkstoff Exenatide, der die korpereigene Insulinausschuttung anregt und so hilft, den Blutzuckerspiegel von Menschen mit Typ-2-Diabetes zu senken. Ein Zoologe hatte bereits 1992 im giftigen Speichel der Gila-Krustenechsen, dessen Zusammensetzung er untersuchte, ein bestimmtes Protein gefunden, uber das spater ein anderer Forscher im Zusammenhang mit der Diabetes-Behandlung gestolpert war. Heute wird der Wirkstoff vollsynthetisch hergestellt und “die Tiere nicht wie manche Giftschlangen zur Serumsgewinnung gemolken”, wie Kolpin erklart.
Die Gila-Krustenechsen, die nur in der Sonora-Wuste in Utah, Nevada, Arizona und Mexiko vorkommen, raubern Vogel- und Nagetier-Nester aus. Warum sie so ein starkes Gift haben, das in Giftdrusen in den Wangen der pausbackigen Tiere produziert wird und beim Festbeisen durch den Speichel in die Wunde gelangt, ist noch nicht klar. Kolpin: “Die Diskussion schwankt zwischen den Aspekten des Totens, des Verteidigens und der Verdauung. Wahrscheinlich ist es ursprunglich fur Letzteres gedacht gewesen.” Ein Gegengift gibt es ubrigens nicht. Deshalb lautet die Devise im Umgang mit den Monstern: Nicht beisen lassen!
Die Gila-Krustenechse erzeugt in umgewandelten Unterkieferdrusen ein Toxin. Dieses wird nicht, wie bei Schlangen, durch Hohlzahne injiziert, sondern lauft entlang einer Kerbe in den Zahnen des Unterkiefers. Die Echse verbeist sich in den Korper ihres Opfers und massiert das Gift durch Kaubewegungen ein. Es ist dann sehr schwierig, eine Gila-Krustenechse von ihrem Opfer zu lösen.
Ein Biss ist fur Menschen nicht lebensgefahrlich, wird aber als extrem schmerzhaft beschrieben. Die Echse beist nur zur Verteidigung und warnt zuvor durch Fauchen und Zischen. Es sind nur wenige Falle von menschlichen Opfern bekannt, da die Echse nur zubeist, wenn man sie bis auf das Auserste reizt.
Symptome eines Bisses sind mehrere kleine Bisswunden, oft abgebrochene Zahne in den Wunden, und Schwellungen, Odeme und Blauverfarbung der betroffenen Extremitat. Der Schmerz breitet sich in wenigen Minuten aus und bleibt bis zu 24 Stunden bestehen. Begleiterscheinungen sind Hypotonie bis zum Kreislaufschock, Schwitzen und Schwindel.
Das Toxin besteht aus dem Glykoprotein Gilatoxin (einem Neurotoxin) sowie weiteren Glykoproteinen und Enzymen. Eines dieser Glykoproteine, das Polypeptid Exendin-4 beziehungsweise die synthetische Variante Exenatide, wird zur Behandlung von Diabetes Mellitus Typ 2 eingesetzt.
Das Leben geniesen trotz Diabetes
Auch mit Diabetes kann man das Leben leicht nehmen und geniesen. Innovative Diabetes-Medikamente, wie die Inkretin-Mimetika, konnen Menschen mit Diabetes dabei unterstutzen. In Deutschland leben rund sechs bis acht Millionen Menschen mit Diabetes. Jedes Jahr kommen rund 350.000 Personen neu hinzu die unter dieser Stoffwechselerkrankung leiden. Die Dunkelziffer ist dabei fast genauso hoch, da viele Menschen uber ihren Gesundheitszustand nicht Bescheid wissen.
Funf bis 10 Prozent der erkrankten Personen leiden unter Typ 1 Diabetes, Ursache davon ist eine Autoimmunerkrankung, welche die eigenen Insulin produzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldruse zerstört. Insulin wird und kann dadurch nicht mehr produziert werden und muss durch lebenslanges Spritzen hinzugefuhrt werden.
Beim Typ 2 Diabetes liegt aber nur eine verminderte Insulinempfindlichkeit (Insulinresistenz) und eine nachlassende Funktion der Betazellen, welche Insulin bilden, vor. Wenn eine Typ 2 Diabetes Erkrankung vorliegt hat die Leistung der Betazellen sich schon deutlich verringert. Dadurch das Diabetes nicht “weh” tut, wird sie nur sehr schwer entdeckt (erhohter Blutzucker macht sich nicht in Schmerzen bemerkbar). Meistens in Folge von einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren wie:
- Übergewicht,
- Fettstoffwechselstorungen (Bewegungsmangel),
- Genetik
- und falsche Ernahrung
wird sie erkannt. Cirka 90 Prozent der sechs bis acht Millionen Menschen mit Diabetes leiden unter Typ 2 Diabetes.
Die Bauchspeicheldrüse überwacht den Blutzuckerspiegel und sorgt dafür, das die Kohlenhydrate ( kommen z. B. in Brot, Nudeln, Kartoffeln vor) aufgespalten werden. Dabei entsteht hauptsächlich Glukose. Glukose, besser bekannt als Traubenzucker, ist des Menschen wichtigste Energiequelle.
Normalerweise hält der Korper den Blutglukosespiegel (auch als Blutzuckerspiegel bekannt) innerhalb bestimmter Grenzen – zwischen 80 und 100 mg/dl. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Insulin, das den
Blutzuckerspiegel senkt wenn er zu hoch ist. Der Gegenpart des Insulins heist Glukagon. Er sorgt dafur, dass der Blutzuckerspiegel so bei Bedarf dann wieder ansteigt indem er aus den Speicherstatten in der Leber Glukose wieder freisetzt. Zentrale dieser lebenswichtigen Produktion ist die Bauchspeicheldruse, die sich als faustgroses Organ genau hinter und unter dem Magen befindet.
Man muss sich das wie bei einer Waage vorstellen. Auf der einen Seite gibt es die Betazellen die Insulin produzieren und auf der anderen Seite die Alphazellen, die fur die Erzeugung von Glukagon zustandig sind. Dabei sollte sich alles in der waagrechten verhalten, je nach dem ob Glukagon oder Insulin benotigt wird. Beim Typ 2 Diabetes Patienten funktioniert dieser Mechanismus in der Bauchspeicheldruse nicht mehr einwandfrei.
Seit Ende November 2006 hat ein neuartiges Diabetes Medikament die Zulassung erhalten. Der Wirkstoff Exenatide ist eines der weltweit ersten Inkretin-Mimetikums, welche die korpereigene Insulinausschuttung abhangig von der Hohe des Blutglukosespiegels anregt. Inkretine sind Hormone die nach den Mahlzeiten vom Darm abgegeben werden und so die Insulinausschuttung anregen. Inkretin-Mimetika wie Exenatide ahmen die Wirkung der Darmhormonen (“mimen”) nach und können so helfen, den Blutglukosespiegel beim Typ 2 Diabetiker wieder zu regulieren.
Als Vater der Inkretin-Forschung gilt der im August 2006 verstorbene Professor Werner Creutzfeldt, Sohn von Hans Gerhard Creutzfeldt, dem Entdecker der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern – unter anderem mit den Professoren Burkhard Goker und Michael Nauck – ebnete er von Gottingen aus den Weg fur die weltweite Inkretin-Forschung.
Exenatide ist ein Inkretin-Mimetikum, das die verschiedenen Wirkungen des korpereigenen Darmhormons (Inkretin GLP-1) nachahmt. Stimuliert die Insulinsekretion im Fall eines erhohten Blutglukosespiegels (selbstregulierend), ist fur die schnelle Absenkung des Blutglukosespiegels nach dem Essen verantwortlich. Fur die Sattigung und Regulation der Magenentleerung ( reduzierter Appetit) und vermindert die Belastung der Insulin produzierenden Betazellen.
Exenatide wird vollsynthetisch hergestellt und ist baugleich mit der Substanz Exendin-4 im Speichel der nordamerikanischen Gila Krustenechse. Die Eigenschaften von Exenatide sind die Reduzierung des Blutzuckers nach dem Essen, dem Nüchternblutzucker sowie des HbA1c-Werts. Es soll die Gewichtsreduktion bei den meistens übergewichtigen Typ 2 Diabetes Patienten fordern und ist das erste Inkretin-Mimetikum. Exenatide ist eine verschreibungspflichtige Substanz.
Indikation
- Menschen mit Typ 2 Diabetes in Kombinationstherapie mit Metformin und/oder einem Sulfonylharnstoff, wenn mit der maximal verträglichen Dosis dieser oralen Diabetesmedikamenten
keine ausreichende Blutglukosekontrolle mehr erzielt werden kann
Anwendung und Dosierung
- Subkutane Injektion (Spritze ins Unterhautfettgewebe) mit einem Fertigpen
- Dosisanpassungen an die Mahlzeitengröße oder die Höhe des Blutzuckers sind nicht erforderlich
- Wochen 1-4: 2x täglich 5 ƒÊg innerhalb von 60 Minuten vor dem Frühstück und Abendessen (oder vor den beiden Hauptmahlzeiten; Abstand zwischen den Mahlzeiten mindestens 6 Stunden); ab Woche 5: empfohlene Standarddosis 2x täglich 10 ƒÊg
- Keine aufwendigen Schulungsmaßnahmen oder engmaschigen Blutzuckermessungen erforderlich
Nebenwirkungen
- In der Regel gute Verträglichkeit
- Häufigste Nebenwirkung: Vorübergehende leichte bis mäsige Übelkeit zu Beginn der Therapie
Erfahrung in Zahlen
- In klinischen Studien wurden bislang uber 3.000 Patienten mit Exenatide behandelt
- Exenatide ist seit April 2005 in den USA zugelassen und wurde bisher hier bei über 400.000 Patienten eingesetzt
EU-Zulassung und Verfugbarkeit
- Zugelassen im November 2006
Verfugbarkeit (verschreibungspflichtig)
- Seit Mitte April 2007 in Deutschland verfügbar
Quelle: Pressekonferenz 15. Mai 2007 Lilly Deutschland GmbH
Weitere Informationen unter: www.lilly-pharma.de
Fotos: Lilly-Pharma
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