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EU-Zulassung für Signifor® (Pasireotid): Erste medikamentöse Therapie für Patienten mit Morbus Cushing

categories Hypertonie   13. Juni 2012    

Die europäische Arzneimittelbehörde EMAA hat am25. April 2012 das Somatostatin-Analogon Signifor® (Pasireotid) zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit Morbus Cushing zugelassen, für die ein chirurgischer Eingriffkeine Option ist oder bei denen eine Operation fehlgeschlagen ist.1 Basis hierfür sind die positiven Ergebnisse der internationalen Phase-III-Studie, in der Pasireotid in den Dosierungen 0,6 mg bzw. 0,9 mg zweimal täglich subkutan (s.c.) injiziert wurde. Als primärer Endpunkt der Studie wurde die Normalisierung des freien Kortisolwertes im Urin (UFCB) nach sechsmonatiger Behandlung ohne Dosiserhöhung evaluiertC: Pasireotid erwies sich in beiden Dosisgruppen als wirksam und führte bei fast allen Patienten zu einer Senkung der Kortisolwerte.2

Eine Normalisierung des UFC-Wertes nach sechs Monaten erreichten 14,6% der Patienten im Studienarm mit 0,6 mg Pasireotid und 26,3% der Patienten mit der höheren Dosierung. Bei 34% der Patienten unter 0,6 mg und 41% der Patienten unter 0,9 mg Pasireotid kam es zu einer mindestens 50%igen Reduktion der UFC-Werte. Im Median wurde nach zwölf Monaten der UFC-Wert um zwei Drittel gegenüber dem Ausgangswert gesenkt (67,6% in der 0,6 mg bzw. 62,4% in der 0,9 mg Dosisgruppe). Unabhängig von der Dosierung zeigte sich ein schnelles Ansprechen: So konnten bereits nach ein bis zwei Monaten, die Patienten identifiziert werden, die nicht auf die Therapie ansprachen.2

Einhergehend mit der Senkung der UFC-Werte verbesserten sich signifikant die klinischen Symptome der Patienten: So verringerten sich nach sechs Monaten Blutdruck und Körpergewicht. Zusätzlich reduzierten sich die Werte von Cholesterin und Triglyceriden. Mit sinkendem UFC-Wert verbesserte sich maßgeblich auch die Lebensqualität der Patienten. Im Durchschnitt nahm der Score der krankheitsbezogenen Lebensqualität (Cushing QoLD-Fragebogen) um 11,1 Punkte zu (95% KI: 6,8%- 15,5%).2

A EMA: European Medicines Agency
B UFC: urinary free cortisol
C Morbus Cushing wird definiert als UFC ≥ 1,5x ULN (upper limit of normal; Normwert: 145 nmol/24h);
Normalisierung des freies Cortisols im Urin: UFC ≤ ULN
D QoL: Quality of Life

Das Nebenwirkungsprofil von Pasireotid war mit dem der bisher zugelassenen Somatostatin-Analoga vergleichbar mit Ausnahme einer höheren Häufigkeit an Hyperglykämien.2 Pasireotid wurde als Orphan Drug zugelassen, da Morbus Cushing eine seltene Erkrankung ist. Diese schwere Erkrankung wird häufig erst nach fünf Jahren diagnostiziert. Ursache ist ein Hypophysenadenom, das zu erhöhten ACTHE-Werten und damit zu einer Überproduktion von Kortisol durch die Nebennieren führt. Der andauernde Hyperkortisolismus kann mit schweren kardiovaskulären, metabolischen und psychischen Problemen einhergehen.

Standardtherapie ist die Resektion des Hypophysenadenoms. Allerdings beträgt die Rezidivrate 20-25%3. Auch profitieren nur 50% der Patienten, die an Morbus Cushing leiden, von den Behandlungsmöglichkeiten, die bislang zur Verfügung standen4. Bei unzureichender Therapie haben die Betroffenen ein ca. fünffach erhöhtes Mortalitätsrisiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung5. Erst mit der Zulassung von Pasireotid als erste evidenzbasierte medikamentöse Therapie für Morbus Cushing Patienten wurde eine wesentliche Behandlungslücke geschlossen. Mit der Marktverfügbarkeit von Pasireotid ist ab Juni 2012 zu rechnen.

Über die Zulassungsstudie2
In diese internationale, multizentrische, randomisierte, doppelblinde Phase-III-Studie wurden 162 Patienten, die für eine Hypophysenoperation nicht in Frage kamen, eingeschlossen2. Davon hatten 135 eine persistierende oder rezidivierte Erkrankung1 und bei 27 Patienten wurde Morbus Cushing neu diagnostiziert6. Sie erhielten randomisiert im Verhältnis 1:1 entweder 0,6 mg Pasireotid (82 Patienten) oder 0,9 mg Pasireotid (80 Patienten) jeweils zweimal täglich s.c. Am Ende der dreimonatigen Doppelblindphase dieser Studie wurde das Ansprechen der Patienten überprüft. Die Patienten, bei denen die Pasireotid-Therapie bis zu diesem Zeitpunkt nicht ausreichend ansprach, wurden entblindet und erhielten eine um 0,3 mg erhöhte Pasireotid-Dosis. Nach sechs Monaten wurden alle Patienten entblindet und es folgte eine sechsmonatige offene Studienphase. Primärer Endpunkt war die Normalisierung des UFC-Wertes nach sechsmonatiger Behandlung ohne Dosiserhöhung. Als sekundäre Endpunkte wurden u.a. die Reduktion des UFC-Wertes nach drei, sechs und nach zwölf Monaten und das Ansprechen untersucht. Zudem wurden Änderungen klinischer Parameter und Symptome im Vergleich zur Baseline, das Tumorvolumen im Vergleich zum Ausgangswert, Lebensqualität sowie Sicherheit und Verträglichkeit ermittelt.2

In beiden Studienarmen war die Verteilung hinsichtlich Baseline-Charakteristika wie Alter, Geschlecht etc. ausgewogen. Allerdings bestand ein Ungleichgewicht bezüglich der Schwere des Hyperkortisolismus. So wurden folgende UFC-Ausgangswerte zu Beginn der Studie beobachtet: Im 0,6 mg-Arm betrug der mittlere UFC-Wert 1.156 nmol/24h (Range: 220 – 22.944), im 0,9 mg-Arm jedoch nur 782 nmol/24h (Range: 195 – 6.123). Damit wurden in den Studienarm mit der niedrigeren Pasireotid-Dosierung mehr Patienten mit höherer Krankheitsaktivität eingeschlossen.2
E ACTH: Adrenocorticotropes Hormon

Das Verträglichkeitsprofil entsprach dem der Substanzklasse mit Ausnahme einer höheren Häufigkeit an Hyperglykämien. Diese traten vor allem bei Patienten mit Diabetes oder Prädiabetes auf. Die häufigsten Nebenwirkungen (≥10%) über alle Grade in beiden Dosisgruppen waren: Diarrhoe (58%), Nausea (52%), Hyperglykämie (40%), Cholelithiasis (30%) und Diabetes mellitus (18%). Als häufigste Grad 3/4 Nebenwirkung wurde mit 13% die Hyperglykämie, gefolgt von Diabetes mellitus (7%) beobachtet.

Über Morbus Cushing
Morbus Cushing ist eine seltene Erkrankung: Die Anzahl der Neuerkrankungen liegt bei ca. zwei Patienten pro Million Einwohner und Jahr7. Die Prävalenz beträgt ca. 35 pro Million Einwohner8. Dies entspricht in Deutschland ca. 2.900 Patienten. Am häufigsten tritt diese Erkrankung zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr auf und betrifft in mehr als 70% der Fälle Frauen. Typisch für Morbus Cushing sind ein „Vollmondgesicht“ in Verbindung mit einer Gewichtszunahme und einer zentralen Adipositas sowie Fettpolster im Nacken. Auffällig sind auch „Striae rubrae“ genannte Dehnungsstreifen, die häufig breiter als ein Zentimeter sind, sowie ein gerötetes Gesicht. Daneben neigen Betroffene zu Hautblutungen und Wundheilungsstörungen, proximale Muskelatrophie mit resultierender Muskelschwäche. Mit Morbus Cushing gehen zahlreiche schwere Komorbiditäten einher wie Hypertonie, Insulinresistenz mit einer höheren Prävalenz für eine gestörte Glukosetoleranz sowie Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, Depressionen und Psychosen sowie Osteoporose.2,9

Über Pasireotid (Signifor®)
Die Zellen von Hypophysenadenomen exprimieren mehrere Somatostatin-Rezeptoren (sst1, sst2, sst3, sst4 und sst5), wobei der Rezeptor sst5 bei Morbus Cushing besonders stark exprimiert wird. Das Somatostatin-Analogon Pasireotid bindet zielgerichtet an vier der fünf bekannten Somatostatin-Rezeptoren10. Verglichen mit den bislang zur Verfügung stehenden Somatostatin-Analoga ist die Affinität von Pasireotid zum Somatostatin-Rezeptor sst5 fast 40fach erhöht. Somit wirkt Pasireotid zielgerichtet am Hypophysenadenom: Es hemmt die ACTH-Sekretion und damit die Kortisolbildung in den Nebennieren. Quelle Novartis Mai 2012 www.novartis.com

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